<![CDATA[ In Extenso - Indien]]> Sat, 11 Jul 2015 08:46:41 -0700 Weebly <![CDATA[Ladakhs Höhen und Weiten ]]> Thu, 25 Jun 2015 08:57:01 GMT /indien/die-hohen-und-weiten-ladakhs
Der Pangong Tso beeindruckt und als klar ist, dass die Straße aufgrund der mehr oder weniger stabilen Wetterverhältnisse nicht mehr gesperrt ist, steht der Beschluss fest. Wir müssen an diesen See, auch oder gerade weil das heißt, dass wir den zweithöchsten befahrbaren Passe namens Chang-La bewältigen müssen. Für uns geht es also durch die gebirgige Landschaft Ladakhs bis auf knappe 5.400 Meter, um dann den die Weiten des Pangong Tsos zu bewundern, die weit bis nach Tibet reichen.

Früh morgens geht es los, Helene und ihre Vater kommen gemeinsam mit Fahrzeug und Fahrer für den heutigen Tag bei uns an. Eine lange Strecke liegt vor uns. Die Fahrt zum Pangong Tso wird vermutlich schon um die 7 Stunden für sich beanspruchen und dann müssen wir noch am selben Tag zurück. Aber entgehen lassen wollen wir uns den malerischen See auf jeden Fall nicht. Eine Übernachtung vor Ort ist im April nicht möglich, es ist schon ein Glück, dass die Straße überhaupt offen ist. Aber das Wetter meint es gut mit uns und die Passüberquerung sollte kein Problem sein. Was die lange Fahrt erleichtert, ist, dass wir einiges unterwegs zu sehen bekommen. Wir sind nicht lange in dem kleinen Bus und kommen schon an dem wunderschönen Thiksey-Kloster vorbei. Aber wir dürfen uns nicht aufhalten lassen, auch wenn es schwer fällt. Auch beim Chemrey Kloster bleibt keine Zeit für einen Besuch. Das ist eben der Kompromiss, den wir eingehen müssen, wenn wir schon zu dieser Jahreszeit unbedingt zum Pangong Tso wollen. 
Kurz nach Chemrey geht es dann die Berge hinauf. Viele Höhenmeter müssen jetzt zurückgelegt werden, um den zweithöchsten befahrbaren Pass hinter uns zu bringen. Im scheinbaren Nirgends wartet dann noch Papierkram auf uns. Um den Pangong Tso zu besuchen, ein See, der direkt an der Grenze liegt, braucht man ein eigenes Permit. Darum haben wir uns schon im Vorfeld in Leh gekümmert. In unserem Fall hat alles das Oriental Hotel erledigt und spätestens zwei Tagen ist alles erledigt und abholbereit. Bei einem indischen Militärposten wird also halt gemacht, um die Permits und Pässe inkl. Kopien herzuzeigen. Das Prozedere dauert viel länger als eigentlich nötig und schließlich werden wir alle handschriftlich in einem Registerbuch vermerkt. 
Wieder im Auto nähern wir uns über die schmale Straße sukzessive dem höchsten Punkt des Passes. Bei Gegenverkehr wird es eng, er hält sich aber auch in Grenzen und bis auf wenige Militärfahrzeuge kommt uns nichts entgegen, auch weil man beim Pangong Tso zu dieser Jahreszeit nicht übernachten kann und somit mit keinem Rückverkehr zu rechnen ist. Die Hinfahrt ist aber alles andere als einsam. Einige indische Touris machen so wie wir einen kleinen Abstecher zum See. Als wir uns so den Berghang hinaufschlängeln und der Boden langsam immer mehr mit Schnee bedeckt ist, sehen wir wieder einmal im scheinbaren Nirgends zwei Straßenarbeiterinnen, die dafür sorgen, dass auch zu dieser frühen Jahreszeit die Straße befahrbar bleibt. Von Kopf bis Fuß verhüllt in warmer und schützender Kleidung gehen sie mit Schaufel und Salz im Gepäck die Straße entlang. Der Schnee rund um uns wird immer höher und irgendwann heißt es Ketten anlegen. Ein paar oberschlaue Fahrer glauben wohl, das wäre nicht notwendig, was schließlich zur Folge hat, dass es nach kurzer Zeit staut, weil die paar ohne Ketten hängen bleiben. Dass unser Fahrer die Ketten brav angelegt hat, bringt uns also nicht wirklich was. Wir müssen warten. Als wir dann bei der Passhöhe des Chang La Passes ankommen, muss alles schnell gehen. Wir haben zuviel Zeit liegen gelassen, um jetzt Zeit dafür zu haben zu realisieren, dass wir uns gerade auf 5360 Metern befinden. 
Von da an geht es wieder bergab. Der See liegt rund 1000 Meter niedriger als die Passhöhe. Irgendwann taucht er dann auf. Ein Blick ins Tal lassen uns schon den letzten Zipfel des Sees erkennen. Als wir aussteigen drängen sich rund 20 andere BesucherInnen an einem Fleck. Im Sommer tummelt es sich hier aber vor Menschen nur so. Dann sind auch die Zelte aufgebaut und der Tourismus hier ist im vollen Gange unter Rücksicht auf den hier hochgehaltenen Naturschutz natürlich. Von der 134 km Länge des Sees sehen wir nur ein kleines Stück, der bei weitem größere Teil des Sees geht über die Grenzen nach China bzw. genauer gesagt Tibet hinaus. Wir können uns noch ein paar Meter weiter Richtung Grenze bewegen, bis unser Fahrer wieder umkehrt. So lang der See auch ist, breit ist er gerade mal maximal 8 Kilometer. Der gesamte See ist bei uns noch eingefroren und der Wind bläst und kräftig und eisig entgegen. Das stört uns aber nicht im Geringsten. Durch die noch vorhandene Eisdecke wirkt der See in seinen Farben viel sanfter, als das sonst der Fall wäre. Ein weiterer Vorteil ist, dass es sich ein paar Lachmöwen auf dem Eis bequem machen. Die Zärtlichkeiten der beiden Tiere stört dann nur eine andere Möwe, dem das ganze Gekuschel nicht recht zu sein scheint. 
Noch viel mehr Gekuschel erwartet uns dann bei der Heimfahrt. Als wir eine große Herde Kaschmirziegen weiden sehen, können wir einfach nicht widerstehen und bitten unseren Fahrer anzuhalten. Wir werden sofort bemerkt. Während ein großer Teil der Herde weitergrast, werden wir vor allem von weißen Ziegen belagert. Das Kuschelbedürfnis scheint groß zu sein und die Neugier so und so. Die süßen Ziegen hier liefern die kostbare Kaschmirwolle, die viele so sehr begehren. Wenn ihre Statur auch aufgrund der harten Lebensbedingungen in Ladakh mager ist, haben sie doch reichlich an der begehrten Unterwolle, die unglaublich fein ist. Eine der Ziegen will uns gar nicht mehr fort lassen. Aber wir müssen, der Weg ist noch weit nach Leh und es wird langsam spät. Die Ziege begleitet uns aber bis zum Auto und blickt uns noch lange hinterher. 
]]>
<![CDATA[Bummeln und Staunen in Leh]]> Sat, 06 Sep 2014 14:56:19 GMT /indien/bummeln-und-staunen-in-leh
Die weiße Gebirgskette des Himalajas liegt hinter uns. Brauntöne dominieren jetzt die Landschaft, die nicht weniger surreal deswegen auf uns wirkt. Ladakh begrüßt uns mit schönem Wetter – vorerst. In den nächsten Tagen wird Leh unser Stützpunkt sein, von der wir die zahlreichen Ausflüge zu den umliegenden Klöstern starten. Dabei bietet Leh alleine schon eine große Portion ladakhische Lebensfreude und buddhistische Kultur.

Die Registrierung bei der indischen Behörde unmittelbar nach der Landung ist schnell erledigt. Kaum ein paar Schritt vom Ausgang des winzigen Flughafens entfernt, werden wir umringt von mehr als ein Dutzend Taxifahrern, die uns alle in die Stadt bringen wollen. Wir befinden uns eben außerhalb der Saison, viele TouristInnen sind mit uns nicht geflogen (genau genommen waren es gerade einmal zwei andere), da müssen die Fahrer um jeden Gast buhlen. Die Preise stehen fest, jedes Jahr gibt es eine aktualisierte offizielle Preisliste für diverse Taxifahrten. Es ist also ein Leichtes herauszufinden, ob die vielen Taxifahrer den korrekten Preis sagen oder nicht. Mit einem fahren wir schließlich los. Während die anderen noch dem verpassten Geschäft nachtrauern, sind wir schon in Richtung Leh unterwegs. Wobei es für uns nicht gleich in den Kern der Stadt geht. Unsere Unterkunft liegt etwas außerhalb in Changspa. Das Oriental Guesthouse ist eine beliebte Option für Backpacker in Ladakh und bietet zu günstigen Preisen tolle Zimmer. Im Sommer zur Hochsaison ist es hier gesteckt voll und ohne lange Reservierung im Voraus geht da nichts. Anfang April brauchen wir uns da keine Sorgen machen, die große Anlage bietet genug Platz. Ein wunderschönes sauberes Zimmer erwartete uns mit vier Decken. Gleich neben dem Hotel geht es steil hinauf zur Shanti Stupa, aber diesen Weg dürfen wir uns am ersten Tag noch nicht zumuten. Zu drastisch ist der Höhenunterschied zwischen Delhi und Leh. Immerhin befinden wir uns jetzt auf einer Höhe von rund 3.500 Metern. 
Nach 10 min Fußmarsch vom Hotel stehen wir inmitten des Stadtkerns. Die zahlreichen Gästehäuser, Hotels, Souvenirgeschäfte und Restaurants wirken ziemlich deplatziert in Anbetracht der fast völlig leeren Straßen. Sie sind aber auch allesamt geschlossen. Nur die Schilder und Auslagen weisen darauf hin, was hier im Sommer los sein muss. Am ersten Tag sind vielleicht gerade einmal 15 Touris in der Stadt unterwegs. In den zehn Tagen unseres Aufenthaltes in Ladakh wurden die BesucherInnen langsam aber stetig mehr. Im Juli und August wird dann der alljährliche touristische Ansturm in Ladakh erwartet. Und die Tourismuszahlen sind auch für die nächsten Jahre im Steigen begriffen. Die Leute haben Ladakh eben als Trekkingparadies entdeckt und während man in Tibet zunehmend in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, kann man sich hier trotz großer Militärpräsenz in Ruhe die buddhistische Kultur zu Gemüte führen. 

Als wir uns Richtung Stadtkern bewegen, stehen wir vor einer aufgerissenen Hauptstraße quer durch das Stadtzentrum. Kanalarbeiten werden jetzt noch erledigt. Im Sommer soll schon wieder alles zugemacht sein. Hinunter blickend auf die offengelegten Rohre sehen wir die Arbeiterinnen schuften. Wenn bis Sommer alles fertig sein soll, ist Eile angesagt. Dass übrigens Frauen am Bau arbeiten ist in ganz Indien und vor allem in Ladakh nichts Außergewöhnliches. 
Es ist, als ob wir in einer ganz anderen Welt angekommen wären. Und bis auf die indischen Gastarbeiter scheint hier so rein gar nichts an das Indien zu erinnern, das wir bereits kennengelernt haben. Die kleindörfliche Ruhe, die diese Stadt um diese Jahreszeit ausstrahlt, ist eine willkommene Erholung von dem aufgeweckten und oft stressigen Indien, das wir gerade erst hinter uns gelassen haben. Ein Stück Indien holt uns dann aber auch in Ladakh ein, als die Wahlkampffahrzeuge der BJP an uns vorüber ziehen – Fähnchen, Papiermasken des Spitzenkandidaten und ohrenbetäubenden Jubel inklusive. Die Parlamentswahlen stehen kurz bevor und auch im hintersten Winkel Indien wird um WählerInnen gebuhlt. Die hindunationalistische Partei BJP lässt auch in Ladakh nichts unversucht, auch wenn sich der Wahlkampf auf triumphierenden Jubelzügen zu beschränken scheint. Richtig skurril soll es aber erst ein paar Tage später werden. Als wir noch vor dem Einbruch der Dunkelheit versuchten die siebenstündige Fahrt vom Pangong Tso über den Chang La Pass zurück nach Leh zu bewältigen, kommt uns doch glatt wieder eines dieser Wahlfahrzeuge mit seinen jubelnden Insassen entgegen. Zu dieser späten Stunde bahnt sich das Jubelfahrzeug noch einen Weg über den Pass vielleicht zur nächsten Militärstation, aber jedenfalls in Richtung absolutes Nirgends. Soviel nur zum indischen Wahlkampf, den wir am Rande mitbekommen.
Obwohl unsere Körper ganz gut mit der Höhe zurecht kommen zu scheinen, achten wir darauf gerade am ersten Tag ausreichend zu trinken. Die 3,5 Liter zu sich zu nehmen, was angesichts der Höhe eine ratsame Menge an Flüssigkeitszufuhr wäre, fällt uns alles andere als leicht. Sich nicht mit übermäßig langen Strecken zu strapazieren, geht dagegen wie von alleine. Da sich der Gang auf die Toilette schon so anfühlt, als hätte ich gerade einen Mega-Sprint zurückgelegt, kommen anstrengende Routen den Berg hoch schon gar nicht in Frage. Die mangelnde Ausdauer und die damit einhergehende schnelle Erschöpfung legen sich in den nächsten Tagen aber. Und wir sind glücklich nicht von Kopfschmerzen und starker Übelkeit geplagt zu werden. 

Ich habe anfangs schon erwähnt, dass wir mit zwei anderen Reisenden im Flugzeug Richtung Leh unterwegs waren. Helene und ihr Vater, beide aus Bayern, verbrachten nach ihrer mehrwöchigen Reise durch Nepal nun auch eine gute Woche in Ladakh, bevor es für Helene für ein Praktikum im Krankenhaus weiter nach Srinagar ging. Schnell ist klar, dass wir dieselben Reiseziele anpeilen und die Trips nach Lamayuru und Alchi gemeinsam machen werden. Und auch wenn es zuerst natürlich vor allem eine Frage der Kosten war, denn die Taxipreise für ganze Tage sind alles andere als günstig, haben wir Helene und ihren Vater schnell lieb gewonnen. Am ersten Tag versuchen wir gemeinsam ein Restaurant zu finden, um unsere Pläne für die nächsten Tage zu besprechen. Aber das gestaltet sich aufgrund der Nebensaison schwieriger als gedacht. Das Lokal, das schließlich auch jetzt schon geöffnet hat, wird zum Hot Spot der wenigen Touris in der Stadt. Hier tummeln sich alle – nicht nur aus Mangel an Alternativen, sondern auch wegen dem guten Essen. Die tibetischen gefüllten Teigtaschen namens Momos sind ausgezeichnet und auch die angeschlossene Konditorei inklusive regionalem Yak-Käse bietet alles, was das Herz begehrt. 

Abends warten wir vergebens auf einen klaren Himmel. Trotzdem lassen wir uns den Weg auf einen kleinen Hügel mitten in der Stadt nicht nehmen. Der Blick von hier auf die Burg und das Gebirge im Hintergrund ist fabelhaft. Wir können es gar nicht fassen wirklich in Ladakh gelandet zu sein. Leh verzaubert uns und Ladakh war immer einer unser großen Träume, von dem wir nicht gedacht hätten, dass er so schnell in Erfüllung gehen würde. Ein paar Tage Ladakh in unsere Nordindienreise einzuschieben und einen Flug nach Leh im April zu buchen war eine unserer Schnapsideen, über die ich unsagbar glücklich bin. 
In der Nacht stellt sich heraus, dass auch diese vier Decken nicht reichen wollen. Wir können uns einfach nicht erwärmen. Im Zimmer hat es eisige -15 Grad Celsius und auch wenn wir mit unserer Kleidung schlafen, ist es morgens eine richtige Herausforderung aus dem Bett zu kommen. Die Temperaturen und das schlechte Wetter draußen lassen uns wesentlich länger liegen bleiben, als wir das geplant haben. Es ist eben April und die Kehrseite der ruhigen Nebensaison ist die größere Wahrscheinlichkeit schlechtes Wetter zu erwischen. Die meisten Tage ist alles grau in grau, wenn wir beim Fenster hinaussehen. Von einer schönen Lichtstimmung morgens und abends ist nichts zu sehen, nur zwischendurch reißen die Wolken auf und die Sonne kommt hervor. 

Bei unseren Spaziergängen durch die Stadt führen uns unsere Wege auch in den ältesten Teil der Stadt. Wo wir auch hinkommen, spätestens nach einem freundlichen Juley! („Hallo“ auf Ladakhi) ist das Eis gebrochen. Die Ladakhis scheinen sich immer zu freuen, wenn wir grüßen und wenn sie selber ihre lauten „Juleys“ loslassen, dann scheint die Sonne selbst aufzugehen, so voller Freude ist ihr ganzes Gesicht. Das ist auch beim Goldschmied nichts anderes, den wir in seinem kleinen offenen Laden in der Altstadt vorfinden. Es sind keine hochwertigen Materialien, die er hier verarbeitet und verkauft und nachgeahmte Türkis kann natürlich mit den Kostbarkeiten in den Klöstern Ladakhs nicht mithalten – aber, all das ist ladakhisches Kunsthandwerk. Wir werfen gleich ein Auge auf den blattförmigen Anhänger, der uns für eine gewöhnliche Kette eine doch zu eigenartige Form hat. Die Anhänger sind in Wahrheit dekorative Löffel, so wie sie die Ladakhis traditioneller Weise um den Hals getragen haben. Das erfahren wir von dem Goldschmied, dem unserer Verwirrung wohl nicht entgeht. Er sitzt den ganzen Tag über hier und als er uns seine Arbeitsschritte zeigt, wird klar, er ist voll in seinem Element ein Schmied aus Leidenschaft, so scheint es.
Schon die ganze Zeit, während wir in Leh sind, thront über unseren Köpfen der mächtige Stadtpalast. Es waren ein paar Tage seit unserer Ankunft vergangen und heute machen wir uns endlich auf zum Königspalast. Um 1600 wurde dieser Palast vom damaligen ladakhischen König als Herrschaftssitz der Dynastie errichtet. Nur verfiel die Anlage zunehmend, nachdem die Königsfamilie im 19. Jahrhundert in den Herrschaftspalast Stok umzog und die hinduistische Dogra-Herrschaft das Ende der ladakhischen Unabhängigkeit markierte. Seitdem ist viel Zeit vergangen und jetzt ist man wieder um Restaurierungsarbeiten bemüht, was bei der gewaltigen mehrstöckigen Anlage kein leichtes Unterfangen ist. Als wir die Räume betreten. ist es meistens stockdunkel und bis auf kahle Wände ist nicht viel zu sehen. In ein paar Räumen sind bereits Ausstellungen untergebracht und die paar wenigen wertvollen Ausstellungsstücke liegen einfach offen da, ohne dass eine Glaswand oder dergleichen sie schützt. Der Blick vom Palast über die Stadt ist natürlich schön, aber ansonsten scheint es hier nicht viel zu geben, was den Besuch lohnt. Diese Meinung teilen wir aber auch nur bis wir den Gebetsraum des Palastes betreten und vor der eindrucksvollen Bodhisattva Sitatapatra Statue sehen. Die Göttin mit ihren unzähligen Armen und tausend Köpfen stellt die weibliche Verbildlichung der durch Erleuchtung erlangten Weisheit dar. Während den Gebetsraum mit seinen vielen Tiermasken und Dämonenabbildungen inspizieren, laufen plötzlich indische Touris herein und blitzen die Bodhisattva Sitatapatra Statue zu Tode. Unser Hinweis, dass das den antiken Kostbarkeiten dieses Gebetsraum ganz und gar nicht gut täte, wird zwar zustimmend zur Kenntnis genommen, um noch während unseres Gespräches wieder kräftig weiterzublitzen. Wir geben es auf, hier fehlt jeder gute Wille und wir verabschieden uns lieber von dem plötzlichen lauten Trubel im Gebetsraum. 
Noch etliche Meter weiter den Hang hinauf kämen wir zur alten Burgruine, doch uns zieht es stattdessen in die Altstadtgassen am Fuße des Stadtpalastes. Reist man in den hohen Norden Indiens nach Ladakh, dann stellt man sich vor allem auf die beeindruckenden buddhistischen Klöster ein, die einen erwarten werden. Dabei wird leicht vergessen, dass gerade in Leh ein großer Anteil der Bevölkerung muslimisch ist. Bevor wir noch mit den Klöstern in Berührung kommen, sehen wir mehrere Moscheen in der Altstadt. 


Als wir uns durch die Altstadtgasen bewegen, wundert es uns also nicht mehr, als wir einem muslimischen Mädchen mit Kopftuch und traditioneller Kleidung begegnen. Im Türrahmen stehend wartet sie auf ihren Vater, der mit ihr kurz nach unserem Besuch ins Stadtzentrum gehen wird. Die Schüchternheit des Mädchens macht sic h nur anfangs bemerkbar und wird schließlich getilgt von den selbstbewussten Blicken in die Ferne. Die Verständigung könnte wie so oft leichter sein und doch öffnen sich mit einem Lächeln alle Türen.
Wir fühlen uns einfach wohl in Ladakh. Wir könnten noch so viel mehr Zeit hier verbringen und uns würde hier nichts überdrüssig werden. Ladakh ist trotz der hohen Militärpräsenz ein beschauliches Fleckchen Erde. Hier fühlen wir trotz der kalten Wüste, die uns umgibt, unglaublich geborgen. Die streunenden Hunde, die mehrheitlich in einem erbärmlichen Zustand sind, passen da nicht so ins Bild. Wie hart die kalten Monate für die Tiere in dieser kargen Gegend sind, merkt man an ihrer ausgemergelten Statur und den augenscheinlichen Krankheiten, die schon an geschwollenen Körperteilen, ihren roten Augen und röchelndem Husten leicht zu erkennen sind. Darunter gibt es aber auch immer wieder Hunde, die ganz gesund aussehen. Zwischen Gebetsfahnen und kleinen Tempeln suchen sie unsere Gesellschaft und möchten entgegen ihren keifenden Kollegen nur etwas spielen. 
Die ganzen Tage über, wo wir im Oriental House schlafen, liegt der Weg hinauf zur Shanti-Stupa direkt vor unserer Haustür. Es wird also Zeit endlich hinauf zu gehen. Allein der herrliche Blick auf die Stadt lohnt schon den Aufstieg. Die Shanti-Stupa ist kein Relikt aus alter Zeit, sondern wurde erst 1991 fertig gestellt und im gleichen Jahr vom 14. Dalai Lama eingeweiht. Wir ziehen die Schuhe aus, um uns die dargestellten Herausforderungen Siddhartha Gautamas bis zu seiner Erleuchtung auf den zwei Plattformen der Stupa anzusehen. Erhöht in der Mitte der Stupa sitzt schließlich Buddha im Lotussitz und ganz in Gold gefasst. 
Zurück in der Stadt macht sich Einkaufslaune breit. Leh lebt von den kleinen Geschäften und Handwerken. Die Gassen sind unglaublich belebt. Vor allem nachmittags erledigen die Einheimischen ihre Geschäfte hier. Da wird mit dem Schneider um den Stoff verhandelt und gute Lederschuhe werden anprobiert. Auch Andreas entdeckt ein paar Schuhe für sich. Neben unseren Löffel vom Schmied halten wir uns in Sachen Souvenirs zurück. Bei den Gebetsfahnen, die es hier im Gegensatz zu Dharamsala und diversen India-Shops nicht zu völlig überteuerten Preisen zu kaufen gibt, können wir aber nicht widerstehen. Die Fahnen in unterschiedlichen Größen liegen einfach im Supermarkt wie jeder andere gewöhnliche Gebrauchsgegenstand und das zu einem Spottpreis. So kräftig, bunt und unversehrt wie wir sie kaufen, sollen die Gebetsfahnen aber nicht bleiben. Hängen die Gebetsfahnen erst einmal draußen, tut das Wetter sein Übriges. In einem Laden voller Metallramsch, finden wir dann auch noch geeignete Becher für den Buttertee, der bei Pujas auch an Touris ausgeteilt werden soll.

So sehr wir die Zeit in Ladakh auch genießen, die letzten zwei Tage in Leh werden dann noch zur reinsten Tortur. Irgendwann bin ich an den Punkt angelangt, dass ich die immer stärker werdenden Zahnschmerzen nicht länger ignorieren kann. Anfangs glaube ich noch, die Sache ist mit starkem Antibiotika erledigt. Mein Glück ist es, dass zwei deutsche Reisende, die auch in unserem Hotel übernachten, mir gleich die E-Mail-Adresee von einem Zahnarzt geben hier in Leh. Ich schreibe dem jungen Briten, der gerade ein Auslandspraktikum hier macht, also und hoffe, dass er sich möglichst bald meldet. Damit, dass er dann gleich abends an unsere Zimmertür klopft, um nachzusehen wie es mir geht, habe ich allerdings gar nicht gerechnet. Ich soll gleich morgen in die Zahnarztpraxis einer englischen Privatschule kommen. Er und seine Kollegin aus Schweden würden sich dann darum kümmern. Andreas besorgt mir noch die vorerst verschriebenen Medikamente, bevor die Apotheke schließt und ich versuche trotz der Schmerzen ein wenig Schlaf abzubekommen. Gleich in der Früh geht es dann zur Schule und schnell wird klar, dass sich die Wurzel des Zahns infiziert hat. Die verschriebenen Tabletten alleine hätten an den Schmerzen nichts ändern können und ich bin unglaublich froh, bei dem Pech im Nirgends in Indien eine Wurzelinfektion zu bekommen, so schnell in kompetente Hände zu geraten. Der junge Arzt und die junge Ärztin sind sehr bemüht, sie haben den ganzen Laden auch erst auf Vordermann gebracht. Noch bevor sie hier ankamen, war so gut wie nichts von der heutigen Ausrüstung der Praxis vorhanden. Sämtliche Zahnprobleme wurden gelöst, indem die Zähne einfach gerissen worden waren. Die heutige Ausrüstung erlaubt ihm immer noch nur eine provisorische Lösung meiner Wurzelinfektion. Der Zahnarztbesuch zuhause bleibt nicht aus, aber das habe ich auch gar nicht erwartet. Viel schneller und unkomplizierter als gedacht ist auch dieses vermeintliche Desaster also gelöst. Besonders in Indien scheint die Devise zu lauten, dass alles irgendwie immer funktioniert, selbst in den vermeintlich abgelegensten Regionen des Landes.
]]>